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28.1.2020 - Reinhard Wirtz

Von digitalen Zwillingen und dem Mut zu neuen Ideen

Digitalisierung / Industrie 4.0

Die PTS Group AG setzt auf ein hohes Maß an Freiheiten bei der Gestaltung ihrer Arbeitsformen

Moderne Arbeits- und Kommunikationsformen gehören zum Selbstverständnis der PTS Group
Moderne Arbeits- und Kommunikationsformen gehören zum Selbstverständnis der PTS Group © WFB/Pusch

„Kalle“ gilt bei PTS als „Helfer für gute, produktive Meetings“. Er tritt auf in Gestalt eines von PTS konzipierten Licht-Panels an der Wand, das über ein Ampelsystem mit Rot, Gelb und Grün Parameter wie Temperatur, Luftqualität oder Lautstärke (Dezibel) signalisiert, wann es Zeit sein könnte, einmal zu lüften, die Versammlung zu pausieren oder für eine dezentere Lautstärke zu sorgen. „Kalle erkennt auch, wie viele Leute in dem Raum sind. Wenn es viele Teilnehmer und Teilnehmerinnen gab, weiß Kalle, dass der Raum vielleicht abends gereinigt werden muss“, sagt PTS-Mitarbeiterin Lisa Heise. Das sei vom Prinzip ziemlich einfach, es habe aber zu einer Verhaltensänderung geführt. Inzwischen sei der Prototyp marktreif.

Als IT-Berater sowie als zertifizierter SAP- und Microsoft-Partner mit Hauptsitz in der Bremer Überseestadt bietet die PTS Group besondere Expertise in Consulting, Business Intelligence und Cloud Solutions an. Die rund 160 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen feiern in diesem Jahr das 25-jährige Firmenjubiläum. Das Unternehmen wächst weiter, allein im vergangenen Jahr wurden rund 40 neue Kolleginnen und Kollegen eingestellt. Der geschäftliche Fokus liegt im deutschen Raum.

Lisa Heise, Corporate Communication der PTS Group
Lisa Heise, Corporate Communication der PTS Group © WFB/Pusch

„Wir setzen auf Individualität, flache Hierarchien, Transparenz und auf ein hohes Maß an Freiheiten bei der Gestaltung unserer Arbeitsformen“, beschreiben Lisa Heise (Corporate Communication) und Annika Reinke (People Manager) wichtige Prinzipien der Unternehmensphilosophie. Home-Office, Openspace-Raumkonzepte, Vertrauensarbeitszeit, Arbeiten in gemischten Teams („Circles“) – das alles hat PTS nicht erst mit dem Aufkommen der Diskussion um „New Work“ eingeführt. New Work werde bei PTS schon länger „als eine Frage der Haltung und der Kultur“ gelebt, berichten beide Frauen.

Offene Zirkel als Innovations-Motor

Im Jahr 2019 habe bei PTS das Thema ‚interne Weiterentwicklung‘ besonders im Fokus gestanden, so Kevin Meitsky, Vorstand und Chief Innovation Officer. „Wie schaffen wir es, aus den vielen Informationen, die wir alle alltäglich gewinnen, interessante Themen und neue Ansätze zu gewinnen? Das betrifft auch unsere eigene Innovationskraft. Dieses Wissen bündeln wir in so genannten ‚Competence Circles‘, also Gruppen, die unsere Kernkompetenzen innerhalb der PTS Group abbilden. Es können auch Zirkel entstehen, in denen sich Potenzialthemen abbilden, also Projekte, die wir starten können oder wollen.“

Individuelle Zeiteinteilung - offene Gruppen forschen eigenständig an neuen Themen
Individuelle Zeiteinteilung - offene Gruppen forschen eigenständig an neuen Themen © WFB/Pusch

Die Zirkel sind laut Meitsky bewusst so offen gestaltet, dass jeder mitmachen kann. Es gelte die Regelung, dass 80 Prozent der Zeit beim Kunden verbracht oder Themen gewidmet werden, die Kunden betreffen, und 15 Prozent für neue, innovative Themen, also für die eigene weitere Entwicklung. Wer ein Thema besonders attraktiv finde, könne sich im Rahmen dieser Zeitaufteilung an einem solchen Zirkel beteiligen. Keineswegs solle bei den Beschäftigten die Wahrnehmung entstehen, dass eine privilegierte Gruppe sich mit neuen, coolen Themen befassen dürfe, während die übrigen langweiligen Routinekram zu erledigen hätten. Jeder solle die Möglichkeit haben, an den modernen Themen mitzuarbeiten.

Der ‚cultural fit‘

In der IT-Branche spielt komplexes Wissen eine große Rolle. Man kann Wissen aber auch teilen. „Darauf achten wir, es gibt hier wenig Informations-Silos“, sagt Annika Reinke, bei PTS für Personalfragen zuständig. „Wir probieren vieles Neues aus und verändern uns ständig. Dazu muss man Lust haben und in einer solchen Arbeitsatmosphäre arbeiten können.“ Es gebe ja durchaus Beweggründe, in einem oft eher hierarchisch organisierten Konzern arbeiten zu wollen, zum Beispiel, „wenn man eine ausgeprägte Ellenbogenmentalität als Ansporn mag oder braucht.“ Dann sei man bei PTS vielleicht nicht so gut aufgehoben. Annika Reinke: „Wir arbeiten sehr viel im Team. Viele Komponenten, die wir beim Kunden anbieten, greifen ineinander, da muss man sich aufeinander verlassen können.“ Man müsse sich wohlfühlen in einem Kontext, in dem Teamgeist wichtiger sei als die eigene Leistung, der cultural fit müsse stimmen. Das gelte auch für Neu- und Quereinsteiger, fügt Kevin Meitsky hinzu: „Wir haben viele Quereinsteiger aus anderen Branchen. Man merkt im Gespräch, sie brennen für das Thema. Das ist uns sehr viel wichtiger, als wenn jemand etwas schon 20 Jahre lang gemacht hat, aber das nur nach Schema F. Darauf achten wir bei der Auswahl ganz besonders.“

Annika Reinke, People Manager PTS Group
Annika Reinke, People Manager PTS Group © WFB/Pusch

Der Mut zum Wandel

Bei PTS achtet ein Change-Management-Team darauf, dass bei der Einführung neuer Geschäftsmodelle die vielen Änderungen für die Mitarbeiter von Anfang an mit berücksichtigt werden. So könnten ganz bewusst Ängste abgebaut werden. Das Team sei ausschließlich dafür da, die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen mitzunehmen. Die Notwendigkeit, sich damit auseinandersetzen, treffe irgendwann jede Branche, ist Lisa Heise überzeugt. Würden neue Player mit neuen Ansätzen auf dem Markt erscheinen, entstehe häufig schnell der Eindruck, dass das eigene Geschäftsmodell nicht mehr so sicher und perfekt sei.

Im Herbst vergangenen Jahres hat PTS damit begonnen OKR (eine Methodik zur Zielsteuerung) einzuführen. Damit sollen Unternehmensziele für die Beschäftigten plausibler und transparenter werden, Freiräume für den Einzelnen und das Unternehmen entstehen, „um bei den Mitarbeitern Potenziale heben zu können“, und um die Konzentration auf das zu lenken, „was wirklich wichtig ist“, so Kevin Meitsky.

Das neue System soll auch dazu dienen, Aufgaben zu priorisieren. Es handele sich um ein Instrument, „um Orientierung innerhalb der Organisation zu schaffen.“ Alle drei Monate sollen diese Elemente neu definiert werden. PTS gebe sich damit die Chance, alle drei Monate zu fragen, „ob die Vorgaben noch stimmen, oder ob wir sie ändern müssen.“ So können man feststellen, ob man sich noch auf dem richtigen Weg befinde.

Mensch im Fokus

Digitalisierung zählt bei PTS zum zentralen Aufgabenspektrum. Kevin Meitsky unterscheidet zwischen „Digitalisierung“ und „digitaler Transformation“: „Digitalisierung ist für uns eine Bezeichnung für Prozesse, die es heute schon gibt. Es geht um die digitale Abbildung. Digitale Transformation bedeutet Entwicklung zu einem digitalen Geschäftsmodell hin, wobei die Leistungen komplett umgestellt werden. Ob das immer eine Disruption sein muss, sei dahingestellt. Es geht aber auch darum, mit den Daten, die ich gewinne, Geld zu verdienen.“ So oder so – der Mensch bleibe dabei im Fokus, er müsse einen Vorteil aus der Umstellung ziehen können.

Für den Mittelstand sei es oft einfacher, zunächst einmal mit kleinen Lösungen zu beginnen. Sich heranzutasten, und stückweise zu optimieren. Den großen Wurf zu machen, bedeute auch Investitionen und Risiken. Nicht jeder sei dazu bereit oder in der Lage. Und häufig sei es auch wichtig, die eigenen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in kleinen Schritten mitzunehmen und so Ängste abzubauen, ergänzt Meitskys Kollegin Lisa Heise.

Heute versucht man wohl eher, auch mit kleineren Bausteinen früher zum Ziel zu kommen und erste Erfolge zu feiern, dabei aber natürlich das große Ganze im Blick zu behalten (...)“

Kevin Meitsky, Innovation Officer und Vorstand PTS Group AG

Ging es vor einigen Jahren vielleicht noch eher um diese kleineren Schritte, während heute der Innovations- und Wettbewerbsdruck so zugenommen hat, dass die Kundschaft zunehmend auch nach großen Lösungen sucht? Das sieht Kevin Meitsky anders: „Früher hat man eher versucht, den großen Wurf zu machen. Zum Beispiel mit der Einführung einer neuen ERP (eig. Anm.: Enterprise-Resource-Planning – Planen, Steuern und Verwalten von Ressourcen wie Kapital, Personal, Betriebsmittel etc.). Dabei hat man oft gemerkt, das ist ein ganz schönes Brett. Und es dauert lange, das durchzubohren. Der Weg ist lang. Heute versucht man wohl eher, auch mit kleineren Bausteinen früher zum Ziel zu kommen und erste Erfolge zu feiern, dabei aber natürlich das große Ganze im Blick zu behalten, und zwar dort, wo mit kleinen Schritten besondere Effizienzeffekte erzielt werden können.“

Niedrige Einstiegshürden für digitale Lösungen

Zu Kevin Meiskys Aufgaben bei PTS gehört es, neue Geschäftsmodelle für die Kunden und innovative Services zu entwickeln. Er setzt dabei auf standardisierte und skalierbare Lösungen: „Solche Produkte können wir wesentlich günstiger anbieten. Und ein Mittelständler kann derartige Lösungen auch mieten, mit monatlicher Kündbarkeit. Wenn das nicht gefällt oder es nicht funktioniert, kommt der Kunde sehr schnell wieder aus diesem Vertrag heraus. So können wir die Einstiegshürden für digitale Lösungen deutlich reduzieren.“

Digitale Zwillinge

PTS hat viele Kunden aus dem Immobiliensektor. Besonders für sie haben die IT-Spezialisten das entwickelt, was man bei PTS einen „digitalen Zwilling“ nennt. Kevin Meitsky: „Wir verstehen darunter im Wesentlichen das digitale Abbild eines Gebäudes. In unseren Projekten im Immobilienbereich geht es meist um die Bewirtschaftung der Objekte. Wir benutzen eine Plattform, auf der wir das Gebäude digital abbilden können, ähnlich wie bei einer CAD-Darstellung für Architekten. Das wird ergänzt mit einer inhouse-Navigation. Es entsteht also ein begehbares, digitales Modell. Und dieses Modell wird angereichert mit Informationen aus dem Bauinformationssystem. Es sind dann also zum Beispiel auch Heizkörper, Feuerlöscher oder Fernseher und Tische verzeichnet, ebenso Fenster mit Doppelverglasung, beispielsweise für einen Besprechungsraum, der in dieser Woche zu 80 Prozent gebucht wurde, und der deshalb doppelt gereinigt werden muss. Man kann mit diesem ‚digitalen Zwilling‘ sehr viel anstellen, zum Beispiel auch bei der Umzugsplanung.“

Kevin Meitsky, Innovation Officer und Vorstand PTS Group AG
Kevin Meitsky, Innovation Officer und Vorstand PTS Group AG © WFB/Pusch

Die Arbeit bringt es mit sich, dass viele PTS-Beschäftigte nicht ständig am Bremer Hauptsitz des Unternehmens ihren Tätigkeiten nachgehen, sondern bei Kunden oder Partnern, und dabei häufig andere Modelle, Firmen und Startups kennenlernen. Daraus können sich neue Ansätze und Kooperationen ergeben. So hat PTS gemeinsam mit zwei Startups „Delta 42“ entwickelt, ein E-Commerce-Dashboard, das einen digitalen Kern für Anbieter und Händler auf digitalen Plattformen wie Amazon zur Verfügung stellt. Das Modul bietet Kunden neue Möglichkeiten, ihr Geschäft datengetrieben zu optimieren, etwa durch eine gezielte werbliche Ansprache von (potenziellen) Käufern.

Als Firmengründer und Aufsichtsratsvorsitzender der PTSGroup fordere ich in den Shareholder-Unternehmenszielen die komplette Digitalisierung unserer Kompetenzfelder bis 2020. So gehen wir konsequent unseren Weg weiter, dem Kunden das anzubieten, was er für seinen Geschäftserfolg nicht nur heute, sondern insbesondere auch zukünftig braucht.“

Alfons van Werde, Gründer und Aufsichtsratsvorsitzender

Nach dem Grundsatz „do-what-you-sell“ („praktiziere, was du anbietest“) versteht sich auch PTS als ein Unternehmen im ständigen Wandel. Gestaltungsspielräume sind wichtiger als starre Abläufe. „Wir wollen mit unserer Mannschaft etwas bewegen. Dazu gehört der Mut, neue und ungewisse Ideen auszuprobieren. Ganz besonders wichtig ist da auch der Mut zum Scheitern. Selbst, wenn etwas nicht auf Anhieb klappt, ist das noch lange kein Grund für uns, aufzugeben“, so People Managerin Annika Reinke.

Es geht auch um kleinere Fortschritte

Auch bei PTS geht es intern nicht nur um den „großen Wurf“, sondern durchaus auch um kleinere Fortschritte. „Ich überlege gerade, was bei uns noch analog funktioniert“, schmunzelt Lisa Heise auf Nachfrage. PTS müsse vielleicht noch ein Fax haben, das werde aber auch digital kommen. Ausdrucke habe man auf ein Minimum reduziert. So würden zum Beispiel Reisekosten-Belege alle elektronisch abgewickelt.

Auch Annika Reinke steuert noch ein Thema eines „analogen Restanten“ bei: „Wir haben nach wie vor viele Verträge, für die Unterschriften geleistet werden müssen. Das ist wohl auch ein Kultur-Thema. Für viele ist es wichtig, zum Beispiel einen Arbeitsvertrag mit einer Unterschrift in der Hand halten zu können. Da spielen auch Gefühle mit. Das digital rechtssicher zu machen, dafür gibt es schon Lösungen. Das Thema werden wir sicher in diesem Jahr angehen.“

Inzwischen ist die PTS Group offizieller Partner der Beratungsförderung „Digitalisierung und Arbeit 4.0“ des Landes Bremen. Mit PTS-Beratungen können Interessierte sich eigene digitale Vorhaben in Bremen mit einer Übernahme von 50 Prozent der Kosten und bis zu 5.000 Euro fördern lassen.

Dr. Yvonne Bauer

Die Senatorin für Wirtschaft, Häfen und Transformation

Referentin für Arbeit 4.0 und Fachkräfte

+49 (0)421 361 33036

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