Huong Thi Hoang bei einem Besuch in Bremen
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Hat die Corona-Krise Auswirkungen auf ausländische Investments? Sind Firmen aus Vietnam noch an Geschäften in Deutschland interessiert? Wir haben mit unserer vietnamesischen Expertin Hoang Thi Huong ein Interview geführt:
Wie hat sich die Lage in Vietnam im Vergleich zu Anfang April für dich persönlich verändert?
Huong: Der Lockdown wurde am 23. April offiziell gelockert, viele Vietnamesinnen und Vietnamesen haben sich vorsichtig in den Alltag getastet, so waren Kinder noch bis Mitte Mai zu Hause. Jeder muss Masken tragen, wenn er nach draußen geht, besonders im öffentlichen Bereich. Alle freuen sich über ein Wiedersehen im Büro, wir haben begonnen, mit unseren Kunden Kontakt aufzunehmen und sie über unsere Rückkehr zu informieren. Dank der Tatsache, dass der Ausbruch in Vietnam nicht so schwerwiegend ist wie in anderen Ländern, konnten wir die Abriegelung gut verkraften.
Wie gehen Unternehmen vor Ort mit der Corona-Situation um? In welchen Bereichen gibt es Beschränkungen?
Alle Unternehmen müssen sich an die staatlichen Vorschriften halten, fast alle von ihnen haben während des Lockdowns weitergearbeitet, darunter Restaurants, Bars, Kinos und andere Betriebe in der Unterhaltungsindustrie und im Gastgewerbe. Sie müssen jedoch die gesundheitlichen und schützenden Bedingungen in ihrer Organisation gewährleisten.
Inwieweit sind ausländische Unternehmen, die in Vietnam aktiv sind, noch eingeschränkt?
Was den Dienstleistungs- und Handelssektor angeht, so sind die Meisten normal tätig. In der verarbeitenden Industrie gibt es eine Materialknappheit, die aus der Abschottung von anderen Ländern resultiert. Nicht nur das Exportgeschäft befindet sich im April noch im Abschwung und ging im Vergleich zum März 2020 um etwa 20 Prozent zurück, auch der Importwert sank um fast 8 Prozent.
Haben vietnamesische Unternehmen derzeit Interesse an Auslandsgeschäften (etwa in Bremen) oder liegen ihre Prioritäten woanders?
Meiner Meinung nach gibt es durch die Pandemie einige Unternehmen, die die Geschäftsmöglichkeiten sowohl in Europa als auch in Deutschland ausloten, aber sie brauchen Zeit, um ihre Kapazitäten sowohl in finanzieller Hinsicht als auch in Bezug auf anderen Ressourcen für die Expansion zu stärken. Wenn sich Investoren für eine Investition in Deutschland entscheiden, dann ist Bremen ein bevorzugtes Ziel, weil sie bereits in Vietnam Unterstützung erhalten können. Auch die Lebenshaltungskosten in Bremen sind gering, ein wenig vergleichbar mit denen in Ho Chi Minh City, das ist ein Vorteil.
Vietnamesische Investoren beginnen üblicherweise zunächst mit einigen kleinen Investitionen, um zu sehen, wie das Geschäft anläuft. Sie beobachten das Geschäftsumfeld und machen sich mit der Lage vor Ort vertraut, um dann langfristige Partner für weitere Geschäftsbeziehungen anzusprechen. Daher stehen der Handels- und Dienstleistungssektor im Mittelpunkt vieler vietnamesischer Unternehmen und ich denke, dass wir in Zukunft einer Zunahme der Geschäftstätigkeit sehen werden.
Hat sich deine Arbeit verändert? Fragen Unternehmen nach anderen Informationen oder haben andere Anliegen als sonst üblich?
Ich kontaktiere Investoren oft über Unternehmensnetzwerke und erhalte so eine schnelle Übersicht über ihre Absichten. Die grundlegenden Fragen, die sich jeder Unternehmer stellt, sind nach wie vor dieselben: Ist das Geschäftsmodell tragfähig? Wieviel kostet es, Unternehmen vor Ort zu gründen und zu führen? Gibt es zusätzliche Einflussfaktoren und Kosten? Welche Anreize für eine Ansiedlung im Ausland gibt es? Wie ist die Lebensqualität vor Ort? Gibt es gute Schulen und Universitäten für die eigenen Kinder?
Vielen Dank für das Interview!