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6.9.2017 - Artikel aus der August 2017-Ausgabe der Logistics Pilot / Claudia Behrend

Ein cleverer Zug

Maritime Wirtschaft und Logistik

Der Kaffeezug der Spedition Diedrich Meyer zwischen dem Bremer Holzhafen und der Rösterei Jacobs in Bremen-Hemelingen

Fahrt frei mit Sondergenehmigung: Der 65-Tonnen Kaffeezug
Fahrt frei mit Sondergenehmigung: Der 65-Tonnen Kaffeezug © Logistics Pilot/bremenports

Die Lust auf Kaffee ist ungebrochen: 675 Tassen im Jahr werden pro Jahr und Kopf in Deutschland getrunken. Auch bei der Bremer Spedition Diedrich Meyer hält die Begeisterung bereits seit 1897 an. Damals gründete der Namensgeber seinen Fuhrbetrieb und transportierte die Kaffeesäcke noch mit Pferdewagen zu den Röstereien und Speichern.

„Säcke sind in Bremen inzwischen sehr selten“, berichtet Jürgen Döhren, seit 17 Jahren Geschäftsführer bei Diedrich Meyer. Längst wird Kaffee zum Großteil in Containern in die Importländer verschifft. Der in der fünften Generation geführte Familienbetrieb ist daher inzwischen neben dem Transport der Bohnen zudem auf Containertransporte spezialisiert. „Heutzutage wird der Kaffee zumeist in Plastikinlets als loses Schüttgut und nur noch bei besonders hochwertigen Sorten in Säcken – der nach wie vor offiziellen Maßeinheit für die Bohnen – transportiert“, erläutert Döhren. „Denn während ein Container mit 300 Säcken 18 Tonnen Kaffee fasst, sind es umgerechnet bei Bulkware 360 Säcke und gut 21,6 Tonnen.“

Kaffeehandelszentrum Bremen

Auch eine weitere Tradition hat über die Veränderung der Transportmittel hinaus Bestand: Bereits seit 1899 arbeitet Diedrich Meyer mit der Bremer Kaffeerösterei Jacobs zusammen, die heute 60 Prozent des Geschäfts der Spedition ausmacht. Der Rohkaffee für Jacobs kommt – ebenso wie der für die anderen Kunden – entweder mit dem Binnenschiff aus Bremerhaven oder per Bahn aus dem Hamburger Hafen nach Bremen. Die Stadt an der Weser ist ebenso wie die nördliche Hansestadt ein Zentrum des deutschen Kaffeehandels und der Veredelung. Allein für Jacobs stehen an dem von J. Müller betriebenen Hansakai meist rund 1.000 20-Fuß-Container mit einem Wert von etwa 60.000 Euro pro Box. Die Bremer Kaffeerösterei nutzt die Fläche als Zwischenlager.

Rohkaffee kann theoretisch ein bis zwei Jahre lang gelagert werden, sofern gewährleistet ist, dass er kühl und trocken bleibt. „Durch längere Lagerung verliert der Kaffee jedoch an Aroma und an Qualität. Die meisten Röstereien versorgen sich just in time und lagern die Bohnen höchstens ein bis zwei Tage zur Beprobung“, so Döhren. Nach dem etwa vier- bis fünfwöchigen Transport auf dem Frachtschiff geht es per Binnenschiff oder Bahn weiter, bis sie auf der letzten Meile dann per Lkw zu den Zwischenlagern und Röstereien gebracht werden. Weil die Röstanlagen durchgehend laufen, brauchen diese ständig Nachschub und haben dafür nur 30- bis 45-minütige Zeitfenster für die Annahme. „Pünktlichkeit ist für uns daher oberstes Gebot“, sagt Döhren.

Umgerechnet entsprechen die Bohnen auf einem der Elektrokippchassis 2,5 Millionen Tassen köstlichem Kaffee.
Umgerechnet entsprechen die Bohnen auf einem der Elektrokippchassis 2,5 Millionen Tassen köstlichem Kaffee. © Logistics Pilot/bremenports

65 Tonnen Ausnahmegewicht

Da die Strecke vom Hansakai nach Bremen-Hemelingen nur 20 Kilometer beträgt und bei durchschnittlich 160 Tonnen benötigtem Rohkaffee pro Tag allein für Jacobs acht Fahrten mit zwei Lastzügen erforderlich sind, hatte Döhren 2001 ein Ziel: Der Geschäftsführer wollte zwei Container in einem Rutsch fahren können und diese ohne Kran absetzen können. „Für Container des Militärs gab es dafür in Holland bereits eine technische Lösung, die ich für meine Zwecke auch hier anwenden wollte.“ Daher wurde die Kippvorrichtung für das Aufnehmen und Absetzen der schweren Container verstärkt.

Weitere Voraussetzung war allerdings eine Sondergenehmigung für den Einsatz eines Lastzugs mit 65 Tonnen Gesamtgewicht statt der normalerweise im Kombinierten Verkehr zulässigen 44 Tonnen.Dem Bremer Senator für Umwelt und Verkehr erläuterte Döhren die Vorteile: „Das Fahrzeug gibt es, und wir tragen durch die Halbierung des Transportwegs und der Anzahl der Fahrten von acht auf vier zur Verkehrs- verminderung sowie CO2-Einsparung bei.“ Beim Amt für Straßen und Verkehr legte Döhren anschließend dar, dass die Strecke weder über Brücken noch durch Straßen führe, die dieser Belastung nicht standhalten würden, und erhielt schließlich 2003 – damals einzigartig in Deutschland – für dieses Fahrzeug eine auf drei Jahre befristete Ausnahmegenehmigung. Sie erlaubt, dass die Zugmaschine und der dreiachsige Anhänger je einen bis zu 21,6 Tonnen schweren Container transportieren dürfen. Die einzige Auflage der Behörde ist, dass der Lastzug bei Glatteis und starkem Nebel mit geringer Sichtweite nicht fahren darf.

Der Lkw-Hersteller Volvo konnte das Fahrzeuggesamtgewicht durch den Einbau eines kleineren Fahrerhauses und einen leichten 380-PS-Motor noch einmal um eine Tonne reduzieren. „Zwar ist die Sonderanfertigung deutlich teurer, aber sonst würde ich zwei Fahrzeuge und einen weiteren Fahrer benötigen“, so Döhren. „Zudem habe ich Jahr für Jahr eine Dieselersparnis von etwa 30 Litern auf 100 Kilometer.“ Auch in der Praxis zeigte sich, dass der Schwerlastzug gerade auch im Stadtverkehr keinerlei Probleme bereitet. „Unser Kaffeezug ist bis jetzt unfallfrei gefahren“, sagt Döhren. Über - dies sei das Bremsverhalten mindestens genauso gut wie bei einer leeren Sattelzugmaschine, betont er. Außerdem setzt Diedrich Meyer für die beiden Kaffeezüge nur besonders geschulte und erfahrene Fahrer ein.

Kaffeelogistik verlangt Sorgfalt

Viel Know-how erfordert der Umgang mit Kaffee von den Fahrern auch insgesamt. So gehört es unter anderem zu ihren Aufgaben, die Plomben zu überprüfen und vor der Entladung eine Probe zu nehmen. Ist der Container leer, entfernen die Fahrer das Plastikinlet sowie anderes Material wie Trocknungssäcke und Pappen und – eine Besonderheit in Bremen – fegen die Stahlboxen aus, bevor sie zurück zum Terminal gefahren werden. Und wenn alles wie am Schnürchen gelaufen ist, gönnen sich auch Döhren und seine Mitarbeiter gern selbst eine gute Tasse Kaffee.


Dieser Artikel stammt aus der August-Ausgabe des Magazins Logistics Pilot, herausgegeben von bremenports.


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