Nachrichten auf Latein bei Bremen 2: Redakteurin Nicole Ritterbusch im Studio
© WFB/Focke Strangmann
Texte für eine besondere Radiosendung
Was heißt Facebook auf Latein? Oder App? Für Imke Tschöpe sind es gerade diese Fragen, die den besonderen Reiz ihrer Arbeit ausmachen. Gemeinsam mit ihren Mitstreitern tüftelt die Lateinlehrerin und Bremer Landesverbandsvorsitzende im Deutschen Altphilologenverband an den Übersetzungen für moderne Begriffe. Denn Tschöpe und die anderen Lehrer liefern die lateinischen Texte für eine besondere Radiosendung: Die „Nuntii Latini“ von Radio Bremen, die einmal im Monat gesendet werden.
Übersetzung ist eine Herausforderung
„Das Übersetzen eines modernen Textes ins Lateinische ist eine Herausforderung. Latein ist immer auch ein Knobeln um eine adäquate Übersetzung“, sagt Imke Tschöpe. Für die 51-Jährige ist dieses Knobeln nicht der einzige Grund, warum sie mithalf, die Nachrichtensendung wiederzubeleben. „Wir haben natürlich ein Interesse daran, dass es die Lateinnachrichten wieder gibt. Man kann sie im Unterricht nutzen und wir hoffen, damit auch Freude am Lateinischen zu wecken.“
Lateinnachrichten aus Bremen: der zweite Anlauf
Radio Bremen hatte 14 Jahre lang die nach eigenen Angaben deutschlandweit einzigartigen Lateinnachrichten gesendet, Ende 2017 wurden sie eingestellt. Das hatte einen einfachen Grund: Die Lateinlehrkräfte, die das Angebot jahrelang übersetzt hatten, hörten aus Altersgründen auf. Karsten Binder, Programmleiter der Hörfunkwelle Bremen Zwei, wollte sich mit dem Sende-Aus nicht zufriedengeben. Er fragte beim Lateinlehrer seines Sohnes nach, der stellte den Kontakt zu Imke Tschöpe her. So formierte sich eine neue Redaktion, seit November 2018 hat der Sender mit geändertem Format wieder Latein im Programm. Einmal im Monat wird um Mitternacht eine lokale und internationale Nachrichtenauswahl auf Latein gesendet. Im Internet können die Stücke jederzeit angehört werden. Auch sind die Texte zum Nachlesen zu finden.
Radio Bremen will Debatten anstiften
Die Resonanz auf das Wiederaufleben sei groß gewesen, so Karsten Binder. Für Nachrichten auf Latein sind neben Radio Bremen nur das Nachrichtenportal des Vatikan „Vatikan News“ und ein finnischer Sender bekannt. Von Zuhörern gäbe es unterschiedlichste Reaktionen. „Es ist eine Bandbreite, häufig setzen sich unsere Zuhörer inhaltlich auseinander. Das freut uns, wir mögen solche Diskurse. Als Kulturwelle wollen wir eine Debatte über Themen anstiften.“ Eine alte Sprache würde neu diskutiert: „So entwickelt sich eine Tradition weiter.“
Aus Facebook wird „faciei liber“
Daran haben die Übersetzer großen Anteil. „Bestimmte Wörter, das heißt moderne Begriffe, gab es im Lateinischen nicht. Da diskutieren wir, wie wir die Begriffe am treffendsten übersetzen können“, erklärt Imke Tschöpe ihre Arbeit. Rund 20 Meldungen bekommen sie und ihre Mitstreiter zur Auswahl. Die Texte werden aufgeteilt und übersetzt, das Ergebnis dann gemeinsam besprochen. Das Wort Facebook wurde mit „faciei liber“ übersetzt, der europäische Fußballverband UEFA zur „Unio pediludii Europea“ und der Rover zum „vehiculum vagans“. Wörtlich übersetzt bedeutet dies: „herumschweifendes oder herumstreifendes Fahrzeug“. Immer wieder gibt es unterschiedliche Möglichkeiten der Übersetzung oder eben Umschreibung, so auch in einer Meldung zu einer Theodor-Fontane-App. Aus dem Satz „Die App steht für Android und iOS im App Store unter 'Fontane' zum kostenlosen Download bereit“ wurde: „Apparatus digitalis 'Fontane' nominatus per Android et iOS artes operantes ex App Store ad publice downloadendum paratus est.“
Aussprache: eine Frage der Interpretation
Nicht nur die Wortwahl, sondern auch die Aussprache liefert Anlass zur Diskussion, denn: „Wir wissen nicht genau, wie die Aussprache war“, erläutert Tschöpe. „Es gab damals kein Aufnahmegerät. Außerdem wurde um 100 nach Christus sicherlich anders gesprochen als um 300 nach Christus. Die Satzmelodie kennen wir nicht.“ Zudem sei die in der Schule vermittelte Aussprache auch Strömungen unterworfen: Während vor 50 Jahren das „c“ wie „z“ ausgesprochen wurde, wird heute gelehrt, das „C“ als „K“ auszusprechen. „Cicero“ wird so zu „Kikero“.