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25.7.2022 - Jann Raveling

Café Sand goes green

Wissenschaft

Wie ein beliebtes Restaurant auf nachhaltige Energiekonzepte setzt

Gruppenfoto
Gemeinsam für Solarenergie auf Bremens Dächern: Initiatorinnen und Initatoren des Projekts "Café Sand goes Green" © WFB/Rathke

Solaranlagen für die Gastronomie – in einem Pilotprojekt will das Bremer Café Sand klimaneutral Energie erzeugen. Begleitet durch die Hochschule Bremen werden hier wichtige Erkenntnisse für die Nutzung von Solarenergie in der Stadt gesammelt.

Blaues Wasser, grüne Wiese, goldgelber Sand, dazu ein frischer Kaffee oder eine deftige Currywurst – das Café Sand ist ein beliebter Ausflugsort mitten in Bremen. Alle paar Minuten tuckert die stadtbekannte Sielwallfähre über die Weser und bringt Touristinnen und Touristen ebenso wie Bremer:innen zum Café, das ruhig und beschaulich auf der Werderinsel liegt. Der Erholungsort lockt das ganze Jahr über, aber natürlich besonders im Sommer: Hunderte Fotos lassen etwa auf Instagram vom Urlaubsfeeling mitten in der Stadt träumen.

Küchenbetrieb verbraucht große Mengen Energie

Was viele nicht wissen – ein Cafébetrieb verbraucht enorme Mengen an Energie. Herd und Fritteusen ziehen Strom und Gas. Kühlschränke, Gefriertruhen und Heizung lassen den Energieverbrauch hochschnellen. In Zeiten von explodierenden Energiepreisen steigen die Kosten für das Café immer weiter.

Ein Problem, um das auch Dr. Jörn Burkert weiß. Er ist Geschäftsführer des Bremer Luftfahrtzulieferers AES Elektro/Elektronik Systeme GmbH und liebt es nicht nur, auf einen Kaffee im Café Sand vorbeizukommen, sondern kennt auch die Betreiberin der Gastwirtschaft, Annemieke Dessauvagie, schon seit längerem persönlich.

„Wir sind ein Zulieferer für die Luftfahrtbranche, wollen uns aber breiter aufstellen. Deshalb haben wir die SOLARES Energy GmbH gegründet, mit der wir Solaranlagenprojekte konzipieren. Als junges Unternehmen ist die SOLARES immer auf der Suche nach spannenden Projekten. Da fiel mir das Café hier ins Auge. Zusammen haben wir dann beschlossen: Wir machen das Café Sand grün“, erzählt er.

Solaranlage liefert Strom für die Küche

Die erste Idee: eine Solaranlage auf dem Dach, die klimaneutralen Strom für das Café erzeugt. „Das Gebäude wurde vor 30 Jahren als Niedrigenergiehaus konzipiert. Eine eigene Energieerzeugung passt also perfekt zu uns“, zeigte sich auch die Geschäftsführerin schnell begeistert.

Auf dem Dach installierte das Bremer Solarunternehmen seit März 2022 150 Module mit je 385 Watt, sodass jetzt eine Maximalleistung von 57 Kilowatt zur Verfügung steht. Damit sollen nicht nur die Küchengeräte mit Solarstrom versorgt werden, auch eine kostenlose Ladestation für E-Bikes entsteht. „Bisher laden wir die Akkus als Service für unsere Gäste hinter dem Tresen, künftig können die Gäste das unabhängig von uns selbst übernehmen“, so Dessauvagie.

Blick auf Cafe Sand
Ein kleinerer Teil der Solarpaneele ist auch vom gegenüberliegenden Weserufer zu erkennen. © WFB/Rathke

Begleitforschung will Solarzellen verbessern

Mit Inbetriebnahme im Spätsommer 2022 könnte auch ein Akku dazukommen, um überschüssigen Strom aufzufangen. „Das hängt aber vom Lastprofil ab“, sagt Professor Thorsten Völker, Leiter des Labors für Elektrische Energietechnik an der Hochschule Bremen. Mit seinem Team begleitet er das Projekt „Café Sand goes green“ aus wissenschaftlicher Perspektive.

Er will hier untersuchen, wie sich Stromerzeugung und -verbrauch im Gastronomiebetrieb verhalten und welche ergänzenden Akkus sich eignen, um möglicherweise vollkommen autark vom Stromnetz wirtschaften zu können.

Außerdem möchte er hier erstmalig eine aktive Kühlung für Solarpaneele erproben. „Bei hohen Temperaturen sinkt der Wirkungsgrad der Paneele um bis zu einem Drittel aufgrund physikalischer Effekte. Indem wir die Temperaturen der einzelnen Module im Hochsommer aktiv über eine Flüssigkeitskühlung absenken, wollen wir deren Wirkungsgrad erhöhen“, erklärt Völker. Die Abwärme der Paneele könne dann von anderen Verbrauchern wie der Spülmaschine oder der Warmwasseraufbereitung weitergenutzt werden.

Solar-Cities-Initiative des Landes Bremen will Solaranlagen auf jedes Dach bringen 

Dass sich die Hochschule mit einem Forschungsprojekt an der klimaneutralen Zukunft des Cafés beteiligt, hat einen guten Grund. Denn der Ausflugsort ist mittlerweile zu einem bremischen Pilotprojekt für Energieerzeugung in der Gastronomie geworden. Es gilt als eines der Vorzeigebeispiele in der Solarinitiative des Bremer Senats, die im gewerblichen Bereich von der Senatorin für Wirtschaft, Häfen und Transformation unterstützt und von der WFB Wirtschaftsförderung Bremen GmbH operativ umgesetzt wird.

„Hier finden wir viele positive Aspekte wieder, die die grüne Energiewende in der Stadt voranbringen können: Solarenergie, Speichersysteme und Energieoptimierung in Kombination mit Services, die den Gästen zugutekommen“, erklärt Thorsten Tendahl, Abteilungsleiter Akquisition und Projekte bei der WFB. „Wir wollen hier neue Erkenntnisse gewinnen und diese dann auch in die Öffentlichkeit weitertragen. Deshalb planen wir hier auch Veranstaltungen rund um das Thema. So können wir das neue Wissen gleich in die Bremer Unternehmen bringen.“

Und um die neuen Erkenntnisse wissenschaftlich zu untermauern, ist die Hochschule Bremen in das Projekt eingestiegen.

Cafe Sand Frontseite
Kostenlos und klimaneutral sollen E-Bikerinnen und -Biker künftig hier ihre Räder laden können. © WFB/Rathke

Superschnelles Internet mit Licht

Zu den von Tendahl angesprochenen Services gehört auch der letzte Baustein im Pilotprojekt: Es erweitert den „grünen“ Ansatz um eine digitale Komponente. Denn das Café liegt mitten auf einer Weserinsel, umgeben von Rudervereinen und Kleingartenanlagen – hier gibt es nur eine schleppende Internetanbindung. Wer mobil arbeiten möchte, stößt schnell an Grenzen.

An dieser Stelle kommt die AES Elektro/Elektronik Systeme GmbH ins Spiel. Das Bremer Unternehmen ist normalerweise ein Zulieferer für die Luftfahrtbranche. Als Spezialist für Licht-, Kommunikations- und Steuerungssysteme sowie Energieversorgung in der Kabine bringen die Bremer aber jetzt auch am Weserstrand ihr Wissen rund um schnellen Datenaustausch ein.

Sie setzen dabei auf eine kaum verbreitete Technologie: Li-Fi oder light fidelity. Im Gegensatz zum W-LAN (Wi-Fi) oder dem 5G-Handynetz kommt bei der Datenübertragung aber kein Funk zum Einsatz. Stattdessen wird Licht als Übertragungsmedium genutzt.

Und das funktioniert folgendermaßen: Ein Leuchtmittel – eine Leuchtdiode – sendet ein Lichtsignal, das die nötigen Daten enthält. Ein Fotosensor (zum Beispiel eine Kamera) kann dieses Signal dann wiederum aufnehmen und in nutzbare Daten umwandeln. Wie bei einer Glasfaserleitung – nur ohne die Leitung.

„Li-Fi ist bereits erprobt und wird praktisch eingesetzt, wenn auch bisher nur in Nischen. Es erlaubt eine hohe Datenübertragungsrate, was besonders dann gut ist, wenn viele Nutzer:innen gleichzeitig im Netz sind – etwa in einem Café“, so Dr. Jörn Burkert, CEO von AES. Das Bremer Luftfahrtunternehmen erweitert im Café Sand sein Geschäftsmodell gleich auf zweierlei Wegen. Zum einen durch die neue Li-Fi-Technologie, zum anderen ist die SOLARES Energy ein Schwesterunternehmen der AES.

Die Bremer müssen aber auch die Nachteile der Li-Fi-Technologie ausgleichen: Denn einerseits muss immer eine Sichtverbindung zum Sender des Signals hergestellt werden, andererseits müssen Handy und Laptops mit der neuen Technik umgehen können. Das ist bisher kaum der Fall. „Deshalb wollen wir Relaisstationen aufstellen und USB-Sticks für Laptops anbieten, die mit Li-Fi arbeiten können. So bringen wir schnelles Internet auch in entferntere Ecken“, so Burkert weiter. Damit die Gäste nicht vom ständigen Leuchten gestört werden, nutzt die Technik unsichtbares Infrarot-Licht. 

Optimale Nutzungsprofile finden 

Energieautark, klimaneutral und digital – diese drei Ziele verfolgt das Pilotprojekt am Café Sand. Und stellt sich damit zukunftssicher auf. „Wir müssen unabhängiger von externen Energiequellen werden. Das ist so relevant wie nie zuvor“, schließt WFB-Abteilungsleiter Tendahl. „Dabei ist es nicht einfach damit getan, sich ein paar Solarmodule auf das Dach zu stellen. Jedes Unternehmen hat ein anderes Verbrauchsprofil, andere Anforderungen. Wir müssen herausfinden, wie sich Stromerzeugung und -verbrauch ideal mit den baulichen und rechtlichen Anforderungen verbinden lassen. Hier liegt noch viel Optimierungspotenzial vor uns. Mit diesem Projekt gehen wir einen Schritt in diese Richtung.“

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