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22.2.2024 - Jann Raveling

Die Geschichte des Flugzeugbaus in Bremen – Teil 2: 1952 – 2024

Luft- und Raumfahrt

Chronologie der Luftfahrt in der Hansestadt

Beluga
Die Beluga-Transporter sind häufig zu Gast in Bremen, um neue Flügelkomponenten zur Ausrüstung vorbeizubringen und damit wichtiger Teil des Bremer Flugzeugbaus © Airbus

Ein Jahrhundert Flugzeugbau in Bremen – in der Nachkriegszeit prägt das Projekt “Airbus” die Luftfahrthistorie in Bremen. Bis heute ist der Sektor einer der bedeutendsten Wirtschaftszweige der Hansestadt.

Aber auch andere Projekte sind wichtig: Hubschrauberentwicklungen, Senkrechtstarter VAK 191, Kurzstreckenflugzeug VFW 614. In den 70er Jahren Krisenstimmung und Geburt des Airbus-Konzerns.

2024 feiert Bremen „100 Jahre Flugzeugbau“ mit einem Jubiläumsjahr. Rund um das Ereignis ziehen sich Aktionen und Events sowohl für das Fachpublikum als auch für interessierte Flugzeugfans aus aller Welt.

Wir setzen unsere Chronologie in der Nachkriegszeit fort, in der die Flugzeugfertigung in Bremen an die Luftfahrttradition aus der ersten Hälfte des Jahrhunderts (Teil 1) anknüpfen kann, aber sich auch neuen Herausforderungen stellen muss.

Chronologie des Flugzeugbaus in Bremen, 1952 – 2024:

1952-1955

In den ersten Nachkriegsjahren befasste sich das Unternehmen Focke-Wulf neben der Fertigung von Haushalts- und Alltagsgegenständen mit dem Bau der Hochleistungs-Segelflugzeuge Weihe 50 und Kranich III, da der Bau motorisierter Flugzeuge in Deutschland von den Besatzungsmächten untersagt worden war. Das änderte sich 1955 mit dem Inkrafttreten des Deutschlandvertrags und dem Beitritt Deutschlands zur NATO. Schon bald vergibt die neu gegründete Bundeswehr erste Aufträge an Focke-Wulf, darunter Wartungsaufträge für amerikanische Muster, die der Bundeswehr überlassen wurden.

Und auch die Weser-Flugzeugbau GmbH nimmt ihren Betrieb mit Wartungs- und Konstruktionsaufgaben wieder auf (unter anderem für die F84/RF-84 Jagdbomber der Bundeswehr). Schon zwei Jahre später sind mehrere Tausend Personen in Bremen wieder in der Luftfahrtindustrie beschäftigt.

1957

Im Rahmen des vom Verteidigungsministerium geförderten Wiederbeginns der deutschen Luftfahrtindustrie erhält Focke-Wulf die Verantwortung für den Bau und die Weiterentwicklung des italienischen Schul- und Reiseflugzeugs Piaggio P149 D. 190 Exemplare werden an die Luftwaffe ausgeliefert. Weserflug wird mit der Entmottung und Wartung des amerikanischen Strahljägers Republic RF84 betraut.

Hubschrauber und Auto
Werbewirksam inszeniert: Der Kolibri-Helikopter und ein Borgward-Modell © Airbusarchiv

1958

Übergabe des ersten „Noratlas“-Transporters an die Bundeswehr. Das französische Modell wird in Lizenz durch die Hamburger Flugzeugbau, Siebelwerke ATG und Focke-Wulf gebaut. Dafür gründen sie die „Arbeitsgemeinschaft Nord“, die zum Modell für die künftige Entwicklung des deutschen und europäischen Flugzeugbaus wird: länder- und firmenübergreifende Kooperationen mit verteilten Produktionsstätten.

Im gleichen Jahr: Erstflug des „Kolibri BFK-1“, eines Mehrzweckhubschraubers, der von Henrich Focke im Auftrag von Carl Borgward konstruiert wird und in dessen Automobilfabrik in Bremen entsteht. Der Hubschrauber kommt über das Prototypenstadium mangels Kundeninteresse und aufgrund der wirtschaftlichen Probleme des bald darauf insolventen Borgward-Konzerns nicht hinaus.

Henrich Focke hatte zuvor mit seinem Team zunächst in Frankreich nach dem Krieg an der Entwicklung von Hubschraubern mitgewirkt. Aus dieser Arbeit entstand später der “Alouette”-Hubschrauber, die auch bei der Bundeswehr zum Einsatz kam. Danach folgte in den Niederlanden die Arbeit am senkrechtstartenden Flugzeug Convertiplan. Doch schon bald ging er nach Brasilien, wo er für das Luftfahrtministerium wieder Hubschrauber entwickelte, bis ihn Borgward nach Bremen zurückholte.

1960er

Sowohl die Weser Flugzeugbau als auch Focke-Wulf beteiligen sich in Bremen am europäischen Lizenzbauprogramm des amerikanischen Jagdflugzeugs Starfighter. Über 1.000 Maschinen des Typs F-104G werden gebaut. Das Programm bringt modernes fertigungstechnisches Know-how in der Luftfahrtindustrie nach Bremen. Auch hier kommt das Modell der Arbeitsgemeinschaft wieder zum Zug, ergänzt durch weitere Partner wie den niederländischen Flugzeugbauer Fokker.

Trotz dieses Lichtblicks trübte sich die Stimmung jedoch auf anderen Wegen in der Industrie: Die deutsche Luftfahrtindustrie der 60er Jahre war geprägt durch politische Unstimmigkeiten in Bezug auf die Zukunft eines deutschen zivilen und militärischen Luftfahrtsektors. Eingestellte und halbherzig verfolgte Förderprogramme (zum Beispiel zum Bau von Senkrechtstartern, in Bremen mit der VAK 191) im nationalen Rahmen werden abgelöst durch die wachsende Idee einer europäischen Gemeinschaftslösung. Damit einher geht ein Konsolidierungsprozess in der deutschen Luftfahrtindustrie, der sich bin in die späten 80er Jahre fortsetzt.

Transall
Fertigstellung der Transall - ein europäisches Gemeinschaftsprojekt © Airbusarchiv

1963

Erstflug des Transall-Transportes, der von der französischen Nord Aviation, Weser-Flugzeugbau, Hamburger Flugzeugbau und W. Blume – Leichtbau und Flugtechnik gemeinsam entwickelt wurde als deutsch-französisches Gemeinschaftsprojekt. Die Weser-Flugzeugbau übernimmt die Projektführung für die Entwicklung, in der Bauphase entstehen in Bremen unter anderem Rumpfteile, Türen und Ladetore. Es ist das erste länderübergreifend entwickelte Flugzeugmodell dieser Art in Europa und setzt damit das Modell der innereuropäischen Arbeitsteilung fort.

Im selben Jahr fusionieren Focke-Wulf und Weser Flugzeugbau zu den Vereinigten Flugtechnischen Werken (VFW), um sich wirtschaftlich stärker aufzustellen. Durch mangelnde eigene erfolgreiche Projekte war Focke-Wulf in eine wirtschaftlich bedrohliche Lage geraten.

1969

VFW gründet mit der niederländischen Fokker das Joint-Venture VFW-Fokker. Es sollte nur kurzen Bestand haben und bereits 1980 wieder aufgelöst werden. Neben Raumfahrtprojekten gehörte die gemeinsame Arbeit am Verkehrsflugzeug VFW 614 zum Ziel der Kooperation. Auch die Freie Hansestadt Bremen beteiligt sich an dem Projekt, wie auch der süddeutsche Firmenverbund Messerschmitt Bölkow-Blohm.

Flugzeughalle
Die VFW 614 war ambitioniert, aber auch am Markt vorbei entwickelt worden. © Airbusarchiv

1971

Erstflug des Prototyps der VFW-Fokker 614. Das Kurzstreckenverkehrsflugzeug mit den markanten, über den Flügeln angebrachten Triebwerken sollte die deutsche Luftfahrtindustrie im zivilen Bereich neu beleben, die stark auf militärische Projekte und damit Staatsgelder angewiesen war. Insgesamt wurden lediglich 19 Maschinen gebaut, das wirtschaftliche Interesse seitens der Fluggesellschaften blieb aus, das Projekt wurde damit ein Misserfolg.

Airbus A 300
Eine der ersten gebauten A300 © Airbus

1972

Erstflug des Airbus-Prototyps A300. Dem voraus gingen rund sieben Jahre, in denen zunächst die Idee eines europäischen zivilen Luftfahrtprojekts geboren, dann um politische Unterstützung geworben und letztlich in die Umsetzung gegangen wurde. VFW war Teil eines nationalen Konsortiums in der neu gegründeten „Arbeitsgemeinschaft Airbus“, das 1965 auf deutscher Seite erstmals zusammenkam. Im selben Jahr stießen französische und britische Unternehmen hinzu. Das bereits erfolgreich erprobte Arbeitsmodell der innereuropäischen Arbeitsgemeinschaft kommt hier wiederum zum Zug.

1980

VFW wird Teil der süddeutschen MBB Messerschmitt Bölkow-Blohm, die Ära eines eigenständigen Flugzeugbauers in Bremen endet. Dies war das Ergebnis weiterer Konsolidierungsbestrebungen in der deutschen Luftfahrtindustrie in den 70ern mit dem Ziel, die Wettbewerbsfähigkeit der Industrielandschaft zu erhalten und Überkapazitäten abzubauen.

Hintergrund: Während die Airbus-Produktion langsam anlief und sich allmählich steigerte, hatten die deutschen Hersteller VFW-Fokker und MBB ansonsten mit gescheiterten Projekten oder nur geringen Auftragsvolumina zu kämpfen. VFW-Fokker war in wirtschaftlich bedrohliche Lage geraten. Die Konsolidierungsbestrebungen wurden von der Bundesregierung und den Bundesländern forciert, die mit Förderprogrammen und Darlehen immer wieder industriepolitische Entwicklungshilfen für Projekte (VFW 614, Airbus) geleistet hatten und jetzt in der Airbus-Produktion die Zukunft sahen.

1982

Erstflug des zweiten Airbus-Modells A310. Bereits früh in der Airbusentwicklung schält sich die bremische Kompetenz im Bereich der Hochauftriebssysteme heraus, also der Landeklappen und Vorflügel, die bis heute Bestand hat.

1987

Erstflug der A320, Begründerin der bis heute erfolgreichsten Flugzeugfamilie von Airbus. Bremen wird über die Jahre zum Entwicklungszentrum für die Hochauftriebssysteme im Unternehmen. Neben der Produktion der Landeklappen kann Bremen seine Kompetenzen auch im Bereich Forschung und Entwicklung erhalten und ausbauen.

1989

MBB wird Teil der DASA (Deutsche Aerospace Aktiengesellschaft), einer Tochter von Daimler-Benz, heute Mercedes-Benz Group AG.

Airport-Stadt
Der Bremer Flughafen mit dem Airbus-Werk (unten rechts), dahinter die Airport-Stadt © WFB/Studio B

1994

Die Erschließungsarbeiten für die Bremer Airport-Stadt beginnen. In den kommenden zehn Jahren entsteht hier ein völlig neues Gewerbegebiet in Nähe des Flughafens. Bis heute haben sich 600 Unternehmen mit 21.500 Beschäftigten angesiedelt. Viele von ihnen arbeiten und forschen in der Luft- und Raumfahrtbranche und profitieren so von der Nähe zum Airbus-Standort Bremen, der fußläufig erreichbar ist. Neben Industrieunternehmen zählt dazu auch eine Forschungslandschaft aus zahlreichen Instituten.

2000

Das Airbus-Konsortium (=Anteilseigner aus den verschiedenen Ländern) schafft die European Aeronautic Defence and Space (EADS) als Aktiengesellschaft, die alle Sparten des rasant gewachsenen Airbus-Konzerns vereint. Sie integriert neben der DASA die französische Aérospatiale-Matra und die spanische CASA, bis dahin eigenständige Unternehmen. 2002 übernahm EADS dann auch den britischen Anteil an Airbus von 20 %, den die englische BAE Systems bis dahin gehalten hatte. EADS wiederum wird 2014 in Airbus Group und dann nur in Airbus umbenannt. Deutschland und einige Bundesländer, Spanien und Frankreich halten über Beteiligungen Anteile am Airbus-Konzern. Das Land Bremen ist über die WFB Wirtschaftsförderung Bremen GmbH ebenfalls beteiligt. Daimler-Benz hat seine Anteile bis 2013 abgestoßen.

2007

Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) gründet das erste von bis heute vier Instituten in der Hansestadt. Das unterstreicht den starken Forschungs- und Entwicklungsanteil Bremens in der Luftfahrttechnik.

A400M
Letzter Flug des Prototypen MSN04 des A400M - in Bremen wird das historische Zeugnis seine letzte Ruhe finden. © Airbus

2009

Erstflug der A400M. In Bremen sind die Entwicklung und Montage des Rumpfes des Militärtransporters und Nachfolgers der Transall angesiedelt. Zudem konstruieren die Ingenieurinnen und Ingenieure hier das Frachtladesystem.

A350 Airbus
Auch der neueste Airbus A350 ist vollgepackt mit Bremer Technik - hier einer der Prototypen © Airbus

2013

Erstflug des neuen Langstreckenflugzeugs A350, das besonders sparsam ist und viele ältere Airbus-Muster ersetzen soll. Die Tragflächen des Flugzeugs werden in Bremen ausgerüstet, bevor sie zur Endmontage weitertransportiert werden. Auch die Flügel des älteren Modells A330 werden hier ausgerüstet.

ECOMAT
Im Bild gut zu sehen: Das dreizügige ECOMAT-Gebäude, ein Forschungszentrum für klimaneutrales Fliegen, Leichtbau und Digitalisierung in der Luftfahrt. (2021) © WFB/Ring

2019

Eröffnung des ECOMAT. Das Forschungs- und Technologiezentrum in der Bremer Airport-Stadt beschäftigt rund 500 Wissenschaftler:innen zu Themen des klimaneutralen Fliegens, des Leichtbaus, von Oberflächentechnologien und der digitalen Flugzeugentwicklung. Industrie und Wissenschaft arbeiten hier gemeinsam an Forschungsprojekten in einem Gebäude, das sowohl über Büro- als auch Laborflächen verfügt.

2023

In Bremen startet Airbus das ZeroE Development Centre, das sich mit neuen Antriebstechnologien für die nachhaltige und emissionsarme Zukunft der Luftfahrt beschäftigt.

Heute

Der Flugzeugbau ist einer der bedeutenden Wirtschaftszweige in der Hansestadt. Bremen ist eng in die europäische Forschungs- und Fertigungsinfrastruktur eingebunden. Als zweitgrößter deutscher Luftfahrtstandort arbeiten in der Luft- und Raumfahrtbranche rund 12.000 Beschäftigte. Allein bei Airbus sind es rund 4.500 Mitarbeiter:innen, die an Innovationen arbeiten und die Flugzeuge von morgen bauen.

Illustration Flugzeuge
So könnten die nachhaltig angetriebenen Flugzeuge der Zukunft aussehen - Airbus Concept ZeroE © Airbus

Zukunft der Luftfahrt in Bremen

2025

Umstrukturierungen im Airbus-Konzern führen zu neuen Aufgaben in Bremen. Während ein Großteil der Produktion der inneren Landeklappen für die A321 in Bremen stattfinden wird, siedelt die A330-Flügelausrüstung nach Großbritannien. Bremen wird sich auf die Hochauftriebssysteme konzentrieren.

2035

In diesem Jahr soll das erste kommerzielle Airbus-Modell abheben, das emissionsarm fliegt. Derzeit wird dazu an Möglichkeiten geforscht, Wasserstoff für die Luftfahrt zu nutzen. Damit einher geht eine tiefgreifende Umstrukturierung des Flugzeugbaus mit neuen Technologien und Fertigungsverfahren. In Bremen wird dazu viel Entwicklungsarbeit betrieben und neue Forschungseinheiten entstehen. So baut Airbus etwa das Fire Certification and Testing Center, das sich um die sichere Handhabung von Wasserstoff im Flugbetrieb kümmert, außerdem plant Bremen mit der Vision „ECOMAT Hydrogen Campus“ eine Erweiterung des bisherigen ECOMAT-Konzepts um eine Spezialisierung auf Wasserstofftechnologien.

Quellen:

Bisher in der Reihe "100 Jahre Flugzeugbau in Bremen" erschienen:

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