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12.11.2019 - Rike Oehlerking

Stippvisite in der Vergangenheit: das Ludwig Roselius Museum

Tourismus
Anblick des Eingangs vom Ludwig Roselius Museum
© WFB/Rike Öhlerking

Es steht mitten in der Böttcherstraße, wird vom ältesten Gebäude des Ensembles beherbergt und hat noch weitere Superlative zu bieten – und dennoch ist es gewissermaßen ein Geheimtipp: das Ludwig Roselius Museum. Die große Schwester nebenan – das Paula Modersohn-Becker Museum – zieht deutlich mehr Aufmerksamkeit auf sich, beansprucht aber für einen Besuch auch mehr Zeit. Das Roselius Museum hingegen ist die perfekte Adresse für eine kurze Zeitreise ins Mittelalter und die frühe Neuzeit.

Das mag seltsam klingen, aber ich gehe meist gerne unvorbereitet zu Terminen für unser Bremen-Blog. Das birgt nämlich die Chance, dass ich mich so richtig überraschen lassen kann. Oft hab ich dann doch schon vieles von dem Erzählten gehört und weiß besser Bescheid, als ich zuvor ahnte. Doch mein Besuch im Ludwig Roselius Museum ist ein Überraschungsvolltreffer. Ich hatte ja keine Ahnung. :)

Das Museumshaus verwandelt in ein Patrizierhau
Stufen- statt Spitzgiebel: Roselius ließ kurzerhand das Gebäude aus dem 16. Jahrhundert in ein klassisches Patrizierhaus verwandeln. © WFB/Rike Öhlerking

Museumsdirektor Frank Schmidt und die Volontärin des Hauses Linda Günther nehmen mich im Kassenraum des Paula Modersohn-Becker Museums in Empfang. Kaum haben wir uns begrüßt, sind wir auch schon auf dem Weg ins Nachbargebäude. Über Treppen und Personaldurchgänge gelangen wir ins Ludwig Roselius Haus. Auf einmal umgeben uns, wie ich kurz darauf von Herrn Schmidt erfahre, wirklich alte Gemäuer. Denn das Haus ist bereits 1588 errichtet worden und damit ist es das einzige Gebäude in der Böttcherstraße aus tatsächlich alten Zeiten. Alle anderen wurden im Auftrag Ludwig Roselius in den 1920er Jahren errichtet.

Zwei Personen im Ludwig Roselius Museum vor Statue
Frank Schmidt und Linda Günther führten mich durchs Haus. © WFB/Rike Öhlerking

Ludwig Roselius, geboren 1874, erwarb in den 1920er Jahren die gesamte, damals arg verfallene Böttcherstraße. Als Kaffee-Unternehmer und Erfinder des entkoffeinierte Kaffees (Kaffee HAG) war er zu Reichtum gekommen und hatte sowohl ein Faible für alte Kunst als auch ein gutes Gespür für die Werbewirkung von modernen Kunstprojekten. So ließ er das Gesamtensemble „Böttcherstraße“ errichten, in dem unter anderem eine Kaffeeprobierstube für seine Produkte, Sport- und Freizeitclubs sowie eine Bank untergebracht wurden.

Das Haus zu Füßen des Glockenspiels blieb als einziges altes Gebäude erhalten. Roselius ließ den Spitzgiebel zu einem Stufengiebel umbauen und verwirklichte so seine Vorstellungen eines alten Patrizierhauses. Im Innern ließ er sogenannte „Period Rooms“ anlegen, in denen seine gesammelten Kunstwerke im Ambiente der Zeit, aus der sie stammen, ausgestellt wurden.

Zeitreise durch die Epochen

Auf unserem Rundgang kommen wir vom Mittelalter durch die Gotik, die Renaissance und Barock-Zeit bis zur frühen Neuzeit. Ich lasse mich entführen in vergangene Zeiten und staune nicht schlecht über die Exponate, die hier mitten in der Böttcherstraße zu finden sind: echte Cranach-Gemälde aus dem 16. Jahrhundert, eine Holzskulptur von Tilman Riemenschneider von 1515, ein Silberschatz, der noch benutzt wird.

Ludwig Roselius Gemälde aus den verschiedensten Epochen
Seine Werke kennt man aus dem Religions- und Kunstunterricht: Lucas Cranach der Ältere war einer der bedeutendsten Maler der Renaissance. © WFB/Rike Öhlerking

Neben den Gemälden beeindruckt mich vor allem auch die Einrichtung der Räume. Tatsächlich wird man durch sie in verschiedene Epochen mitgenommen und fühlt sich teils wie in Räumen wirklich historischer Gebäude. Im sogenannten Esszimmer, in dem Bildnisse der Renaissance hängen, staune ich über die geprägte und bemalte Ledertapete.

Ludwig Roselius Ledertapete im Esszimmer
Geprägt und bemalt: die Ledertapete im Esszimmer schafft das passende Ambiente. © WFB/Rike Öhlerking
Ludwig Roselius Museum Oberlichtsaal
Hier war früher ein Innenhof, den Roselius beim Umbau durch ein Oberlicht schließen ließ. © WFB/Rike Öhlerking
Ludwig Roselius Museum Reliquienbüste ist aus Lindenholz
500 Jahre alt und noch immer am Lächeln: die Reliquienbüste ist aus Lindenholz und wahrscheinlich zwischen 1510 und 1520 entstanden. © WFB/Rike Öhlerking

Nebenan – im Oberlichtsaal, der tatsächlich früher einmal den Innenhof bildete – blicke ich in das 500 Jahre alte Gesicht einer Reliquienbüste aus Lindenholz. Die Farben sind verblasst, die einzelnen Schichten frei gelegt. Das nimmt ihr allerdings nichts von ihrer beeindruckenden Erscheinung – im Gegenteil: das Alter steht ihr ausgesprochen gut. Dasselbe gilt für die Holzskulptur von Tilman Riemenschneider, die im oberen Stockwerk zu finden ist und die „Beweinung Christi“ zeigt. Das Lindenholz ist über die Jahrhundert von Würmern durchzogen worden und weist heute dadurch eine äußerst spannende Oberflächenstruktur auf, die vom Alter des Kunstwerks zeugt.

Ludwig Roselius Museum die Holzskulptur Beweinung Christi aus Lindenholz
Wurmstichig – und dennoch oder gerade deswegen sehr beeindruckend: die “Beweinung Christi” von Tilman Riemenschneider von 1515. © WFB/Rike Öhlerking

Alt trifft neu

Inzwischen bin ich mit meinen beiden Begleitern auf der Galerie des Treppensaals angelangt. Von hier aus hat man einen guten Blick in den großzügigen Raum, den eine schöne Holzwendeltreppe schmückt.

Ludwig Roselius Museum Treppensaal
Der Treppensaal mit Parkett, Eichenholztafel und Ölgemälden aus der Renaissance und dem Barock. © WFB/Rike Öhlerking

Unterhalb der Treppe geht es in den kleinsten Raum des Hauses: den gotischen Raum. Hier ist neben einem original Kirchenfenster aus dem 14. Jahrhundert eine Doppelfigur der Madonna und der heiligen Anna zu sehen. Im Rahmen der Ausstellungsreihe „Sommergast“ hat der Künstler Christoph Brech 2018 die Figur an einer Kette mit Rotationsmotor installiert, sodass beide Skulpturen aus dem 16. Jahrhundert gut betrachtet werden können. Die Reihe „Sommergast“ lädt jedes Jahr einen Künstler oder eine Künstlerin ins Roselius-Museum ein, der oder die sich mit den alten Exponaten künstlerisch auseinandersetzen.

Ludwig Roselius Museum gotischer Raum mit Kirchenfenster Doppelfigur Madonna und Anna
Im gotischen Raum finden sich mit die ältesten Exponate. © WFB/Rike Öhlerking
Ludwig Roselius Museum Geschichte um das Haus
Ein Haus mit Geschichte und Ludwig Roselius um 1922. © WFB/Rike Öhlerking

Schatzkammer mit besonderem Inhalt

In der mittleren Etage hat mir Herr Schmidt zuvor noch eine weitere Besonderheit gezeigt. Hier wird in einem kleinen fensterlosen Raum der Silberschatz der Compagnie der Schwarzen Häupter aus Riga aufbewahrt. Es handelt sich bei besagter Compagnie um eine der ältesten Bruderschaften der Welt. Erstmals wurde sie um 1232 urkundlich erwähnt. Ihre Entstehung geht zurück auf die Zeit der ersten Erkundung der baltischen Ostsee durch bremische Schiffer. Als wenn das nicht schon Grund genug zum Staunen ist, erfahre ich von Herrn Schmidt, dass dieser Schatz teils mit Exponaten aus dem 16. Jahrhundert tatsächlich noch in Gebrauch ist. Einmal jährlich kommen die Mitglieder der Vereinigung zum Brudermahl in Bremen zusammen. Für dieses Treffen wird das wertvolle Silber- und Goldgeschirr aus dem Museum geholt und verwendet.

Ludwig Roselius Museum mit Silberschatz
Der Silberschatz wurde von der Bundesrepublik Deutschland als “national wertvolles Kulturgut” eingestuft. © WFB/Rike Öhlerking

Als ich das Ludwig Roselius Museum verlasse umgibt mich noch ein Hauch von 500 Jahre alter Kunst. Das kleine Museum hat mich mit seiner überschaubaren Menge an Exponaten überzeugt. Für einen kurzen „Kunst- und Geschichts-Snack“ bei einem Gang durch Bremens Innenstadt kann ich es nur empfehlen.

PS: Wer sich mit Ludwig Roselius und der Böttcherstraße beschäftigt, kommt nicht drum herum, sich auch mit Roselius‘ sehr fragwürdigen Ansichten über die „nordische Rasse“ auseinander zu setzen. Ich möchte das an dieser Stelle erwähnen, in der Hoffnung, dass sich Lesende dieses Artikels weiterführend mit der Figur Roselius beschäftigen und sich selbst ein Bild über die meiner Meinung nach sehr skurrile Argumentation machen.

Maike Bialek

Leiterin Kommunikation Marketing und Tourismus

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