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9.8.2023 -

Briefe aus der Türkei: Ausgabe Sommer 2023

Internationales

Wissen und Interessantes rund um die türkische Wirtschaft

Teaserbild

Wird die Inflation in der Türkei auf ein normales Maß sinken? Und was bedeutet das für deutsche Unternehmen mit Export- und Expansionsplänen für die Türkei? Diese und weitere Themen gibt es in unseren Länderbriefen im Sommer 2023.

Direkt aus der Seehafenstadt Izmir berichtet Erol Tüfekҫi, Direktor des dortigen Bremeninvest-Büros der WFB Wirtschaftsförderung Bremen GmbH, und gibt uns einen Überblick über Trends, Chancen und neue Entwicklungen im Land. Wenn Sie diesen Länderbrief regelmäßig als Newsletter erhalten wollen, melden Sie sich gern hier an.

Neues aus der Türkei im Sommer 2023:

Das neue Bremeninvest-Türkei-Team

Malte Blank und Erol Tüfekҫi stehen vor einem Eingang
Malte Blank und Erol Tüfekҫi © WFB

Mit Malte Blank hat die WFB einen neuen Experten für das Türkeigeschäft gewonnen, der den Bremeninvest-Mitarbeiter in Izmir, Erol Tüfekҫi, von Bremen aus unterstützt. Das Team engagiert sich künftig gemeinsam dafür, türkische Unternehmen für eine Ansiedlung in Bremen zu gewinnen. Bei seiner ersten Reise nach Izmir gewann Blank positive Eindrücke:

„Izmir ist eine sehr junge, weltoffene und wirtschaftlich hochdynamische Stadt. Sie hat viele Ähnlichkeiten zu Bremen, etwa im Bereich Logistik, Windenergie, aber auch in der wachsenden IT-Branche“, so der 32-Jährige.

Die beiden Wirtschaftsförderer planen, die gemeinsamen Aktivitäten in Izmir weiter auszubauen. „Im Oktober wird es einen Informationstag für Unternehmen geben. Im ersten Halbjahr 2024 findet die Windenergy-Expo in Izmir statt, an dieser wichtigen Messe wollen wir teilnehmen. Zudem verfolgen wir weiter die vielversprechenden Möglichkeiten aus der Kooperation, welche der Technologiepark „Teknopark Izmir“ und die Constructor University in Bremen Ende 2022 begonnen haben.“

Und täglich grüßt die Inflation

Straße mit Shops
© unsplash

Die Teuerungsrate beeinflusst das Wirtschafts- wie auch das Privatleben in der Türkei weiterhin massiv. Nachdem die Inflationsrate von 80 Prozent zeitweise auf 38 Prozent im Frühsommer 2023 (Jahr-zu-Jahr) gefallen war, zog sie im Juli zuletzt wieder um fast zehn Prozent an.

Das ist eine direkte Konsequenz der türkischen Steuer- und Notenbankpolitik. Zwar gab die türkische Regierung ihren früheren Niedrigzinskurs zuletzt auf und erhöhte den Leitzins auf 17,5 Prozent, gleichzeitig wurden aber Mindestlohn und Pensionen erhöht sowie einige inflationstreibende Staatsleistungen erhöht – wie während der Neuwahlen zuletzt versprochen.

Dem standen zugleich massive Steuererhöhungen vor allem im Konsumgüterbereich entgegen. So wurde etwa die Mehrwertsteuer um zwei Prozent angehoben, auch Mineralölsteuern oder Sondersteuern – etwa auf Neuwagen – stiegen um mehr als das Doppelte. Begründung sind offiziell die gestiegenen Ausgaben aufgrund des Wiederaufbaus nach dem verheerenden Erdbeben Anfang des Jahres.

Gleichzeitig muss die Regierung mit der stetigen Verschlechterung des Lira-Kurses kämpfen. Seit Anfang des Jahres ist etwa der Lira-Euro-Kurs um 32 Prozent gefallen, er setzt damit den Negativkurs aus den Vorjahren fort. Davon profitiert zwar die türkische Exportindustrie, gleichzeitig werden Waren aus dem Ausland ebenso wie Devisen immer teurer.

Um den Kapitalabfluss zu verhindern, scheut die Regierung auch vor extremeren Schritten nicht zurück. So hat die türkische Bankenaufsicht etwa die Ratenzahlung von türkischen Kreditkarten im Ausland verboten – ein Versuch, die Türkinnen und Türken davon abzuhalten, ihr Geld im Ausland auszugeben, da Ratenzahlungen bei Urlaubsreisen eine beliebte Finanzierungsart waren. Zuvor waren bereits ähnliche Maßnahmen getroffen worden, die effektiv den Abfluss von Finanzmitteln ins Ausland verhindern sollten.

Um den Wertverlust des eigenen Vermögens zu begrenzen, versuchen Türkinnen und Türken, dieses in Realwerte umzusetzen – so verzeichnet der Automobilmarkt in der Türkei Rekordabsätze, Autos sind so teuer wie nie zuvor, trotz stark gestiegener Steuern, auch Gebrauchtwagen haben einen hohen Wert.

Die Zentralbank der Türkei sieht die Inflation noch für ein gutes Jahr steigen, die neue türkische Zentralbankchefin Hafize Gaye Erkan erwartet eine Entspannung ab Ende 2024. Sich auf diese Aussage zu verlassen dürfte jedoch vielen Türkinnen und Türken schwerfallen, haben die Amtsinhaber:innen bei Zentralbank und Finanzministerium doch eher kurze Halbwertszeiten.

Investitionsklima Türkei – Licht mit Schatten

Brücke in Istanbul
Aufgrund ihrer geografischen Lage und industriellen Basis ist die Türkei ein attraktiver Standort für deutsche Unternehmen. © pixabay

Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen bleiben für Unternehmen in der Türkei herausfordernd. Der fallende Wechselkurs macht der durch die hohe Importabhängigkeit geprägten türkischen Wirtschaft zu schaffen. Auch die Steuererhöhungen wirken sich auf die Unternehmen aus, so wurden die Körperschaftssteuern um fünf Prozent angehoben – wenngleich auch mit Ausnahmen für die Exportindustrie. Dazu sagt WFB-Türkei-Experte Malte Blank:

„Nach meinem Besuch in Izmir ist meine subjektive Wahrnehmung, dass insbesondere junge Unternehmen oder Unternehmen mit jungen Geschäftsführer:innen sich ein stabiles Marktumfeld wünschen, sie dieses allerdings so aktuell in der Türkei nicht vorfinden können, da die Finanzmärkte dort zunehmend verunsichert sind.“

Trotz dieses Umfelds zeigt sich die Wirtschaft resilient und wächst weiterhin, auch aufgrund der anhaltenden Investitionen aus dem Ausland. Denn für ausländische Unternehmen bleibt die Türkei attraktiv: Die niedrigen Arbeits- und Produktionskosten sowie die schwache Lira wirken sich positiv auf Exporte aus der Türkei und auf Investitionschancen aus. Die starke industrielle Basis macht die Türkei des Weiteren zu einem guten Markt für das Nearshoring – die Verlagerung von Produktionskapazitäten aus Asien in Richtung Europa -, um den anhaltenden politischen (Konfliktfeld USA <-> China) und strukturellen Problemen (unterbrochene Lieferketten) entgegenzuwirken. Die junge und wachsende Bevölkerung hat eine hohe Nachfrage nach Konsumgütern und bietet zugleich viele Fachkräfte.

Marktchancen aus der Türkei – Lebensmittelindustrie

Gewürze zum Verkauf aufgeschichtet
© pixabay

Die türkische Lebens- und Agrarmittelindustrie wächst seit Jahren stark – der siebtgrößte Agrarproduzent der Welt versorgt dabei nicht nur die eigene wachsende Bevölkerung, sondern exportiert auch zunehmend ins Ausland. Zudem wird der Markt zunehmend reifer – die Nachfrage nach Convenience-Produkten nimmt zu, ebenso der Onlinehandel.

Das eröffnet Chancen für die deutschen Unternehmen, die etwa in der Agrarindustrie oder der Produktionstechnik und Lebensmittellogistik Maschinen liefern oder Dienstleistungen rund um die Verarbeitung und Lagerung anbieten. Der direkte Einstieg in den Lebensmittel-Endverbrauchermarkt ist aufgrund von Zöllen und Gesetzesrestriktionen vor allem für kleine und mittelständische ausländische Unternehmen jedoch deutlich herausfordernder.

Zunehmend wird auch in der Türkei auf den Einsatz von umweltfreundlichen Verpackungen geachtet, so gibt es Abgaben für Einwegprodukte, was die Attraktivität von Mehrwegverpackungen erhöht. Auch hier eröffnen sich Marktchancen, fasst GTAI die Lage zusammen.

Den nächsten Länderbrief Türkei erhalten Sie im Herbst 2023.

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